Neuer Verein rückt Vielfalt der Osttiroler Trachtenlandschaft in den Fokus

Die erste Schau einer geplanten Reihe im Kulturhaus Sinnron in Dölsach lädt ein, die Trachtenvielfalt des Lienzer Talbodens näher kennenzulernen.

Der Bezirk Lienz ist bekannt für seine Trachtenvielfalt, die sich über Jahrhunderte hinweg auf einer relativ kleinen und geographischen abgegrenzten Fläche im Zentralraum und in den Tälern entwickelt hat.

„In jeder Region gibt es ein eigenes Festtagsgewand, das zu hohen Feiertagen und zu Hochzeiten getragen wurde. Das sogenannte Werktagsgewand war schlichter, in gedeckteren Farben und aus strapazierfähigem Material gearbeitet“, erzählt Schneidermeisterin Marianna Oberdorfer. Gemeinsam mit Friseurin Heidi Kleinlercher aus dem Defereggental, Heike Stotter aus Nußdorf-Debant, Reinhold Obermayr aus Dölsach, Reingard Hutter aus Nikolsdorf und weiteren Personen hat sie den Verein „Handwerkskunst und Trachtenkultur in Osttirol“ gegründet.

Ziel des Vereins ist es, auf die Vielfalt an Trachten im Bezirk hinzuweisen und den Erhalt und die Weiterentwicklung der Trachtenkultur anzuregen. Als erste Aktion hat der Verein die Ausstellung „Trachtenlandschaft Osttirol“ im Kulturhaus Sinnron in Dölsach organisiert. Die Schau rückt die Trachten des Lienzer Talbodens in den Fokus. „Diese Schau ist der Beginn einer Reihe. Geplant sind weitere Ausstellungen, in denen wir die Trachten aller Osttiroler Talschaften – vom Virgen-, Isel-, Defereggen- und Kalsertal bis ins Puster-, Lesach- und Villgratental – präsentieren möchten. Begleitend zur aktuellen Schau bieten wir Vorträge und eine Trachtenlandschaft-Werkstatt an“, informiert Obfrau Marianna Oberdorfer.

Für die Ausstellungsgestaltung konnte der Verein Kunsthistorikerin und Archäologin Elisa De Gaetani gewinnen. „In der Vorbereitung der Ausstellung war es eine Freude, aus dem großen Fundus an Trachten von Marianna Oberdorfer zu schöpfen. Die ältesten Exponate gehen in das 19. Jahrhundert zurück. Textile gehören gepflegt – bei Schneidermeisterin Marianna sind sie in guten Händen“, so die Kunsthistorikerin.

Alle Exponate der Ausstellung sind handwerklich gefertigte Trachten bzw. historische Gewänder. Damals wie heute entschied die Kompetenz und die Kreativität der Schneiderin, wie aufwändig die Trachten gefertigt wurden. „Trachten sind etwas Gewachsenes und verändern sich ständig. Die Ausgestaltung der Tracht war früher von sozialen, gesellschaftlichen und auch von klimatischen Gegebenheiten abhängig. Mit der Ausstellung soll auch Altes mit Modernem verbunden werden“, erklärte Elisa De Gaetani.

Marianna Oberdorfer möchte auch Gewänder, die in Vergessenheit geraten sind, wieder in das Bewusstsein rücken – wie z.B. die Egger-Lienz-Tracht. Diese geht auf das Bild „Der Porträtmaler auf dem Lande“ von Albin Egger-Lienz aus dem Jahr 1890/91 zurück. „Ich habe mich von diesem Bild inspirieren lassen und eine Tracht, ähnlich wie sie das dargestellte Mädchen trägt, geschaffen. Die Egger-Lienz-Tracht wird unter anderem wieder von Marketenderinnen in Nikolsdorf getragen“, erklärt die Schneidermeisterin dazu.

In einem nächsten Schritt sind Ausstellungen von Trachten aller Osttiroler Talschaften geplant. „Gemeinsam mit Marianna möchte ich ihre Sammlung auch archivieren, inventarisieren und katalogisieren. Es ist wichtig, dass ihr gesamtes Repertoire und ihr Wissen erhalten bleiben“, betonte Elisa De Gaetani.

Text: Raimund Mühlburger, Foto: Osttirol heute/Mühlburger, Brigitte Watzek

04. Juli 2024 um 14:40 Uhr